Der Wald scheint dunkel. Noch trägt er nicht sein dichtes Sommerkleid. Keine buschigen Baumkronen zieren sein Haupt. Kein Schatten spendendes Blätterdach. Nur kahle Äste und Zweige, die sich zart und beständig im kühlen Frühlingswind wiegen. Sie geben das Sonnenlicht der für heute untergehenden Sonne in voller Pracht preis und bilden einen grotesken Kontrast zum Farbenspiel des Himmels.

In Scharen sprießen kleine Blümchen aus dem kargen Waldboden und bedecken den moosbewachsenen Grund mit ihrem punktuellen Weiß. Neue Existenz beginnt am Kreislauf des ewigen Lebens teilzunehmen.
Es herrscht eine märchenhafte Ruhe. Untermalt wird sie, vom durch die alten Bäume scheinenden Licht, das die Zeit still stehen lässt.

Der Tag neigt sich dem Ende. Die stillen Zeugen stehen stumm am Ufer und nehmen klanglos den Wechsel von Tag und Nacht hin. Lassen über sich ergehen, was sie nicht ändern können. Sie stehen einfach stumm da und bieten so unzähligen Kleinstlebewesen Schutz vor Kälte, Sturm und Dunkelheit. Ein Miteinander, geprägt vom gegenseitigen Geben und Nehmen. Hier denkt keiner nur an sich.

Abgestorbene Baumstämme, ausgehöhlt von Regen und Wind, angefressen von Käfern und Insekten geben Einblick in eine neue Perspektive. Nichts ist tot. Nichts ist wirklich alt und verbraucht. In der Natur lebt das scheinbar Leblose weiter und schafft so Licht an Stellen, wo lange keines zu sehen war.

Geduld ist eine der Tugenden von Mutter Natur. Doch wie viel Zeit wird ihr bleiben? Wie viel Zeit für diese unermüdliche Geduld in einer Welt, in der der Mensch versucht sich alles zu eigen zu machen und damit zerstört, was auch ihn am Leben hält.
Es scheint still. Ich lausche in diese vermeindliche Stille und beginne sie zu hören. Hier ein Rascheln, dort ein Knacken. Der Wald um mich herum lebt. Ein Privileg für einen Moment teilhaben zu dürfen. Fernab von lauten Menschen, die sich mit ihren Taten, ihren Gesprächen und ihrem Besitz versuchen gegenseitig zu übertreffen und dabei nicht mehr im Stande sind zu erkennen, was sie wirklich tun.

Die Sonne steht tief und überzieht das moosige Grün am Boden in ein knalliges Orange.

Um Ufer geht der Waldhang über in einen schmalen, jedoch steinigen Sandstrand. Das Wasser der Förde rollt hier unaufhörlich auf’s Land zu. Beständiges Meeresrauschen und das anbranden des Wassers auf dem steinigen Grund wirken beruhigend
Hier gibt es ein Miteinander der Elemente, wobei im Zweifel wohl immer das Meer der Sieger bleiben wird.

Das Wasser holt sich seit Jahrtausenden wonach es verlangt. Wo die Natur die Chance hat echt zu sein, wo kein Mensch eingreift, um zu verhindern, dass das Leben seinen Lauf nimmt, dort wird immer wieder von ganz allein neues Leben entstehen. Mit anderen Gesetzen und Werten als denen, die der Mensch versucht in Stein zu meißeln.

Denn die Natur hat begriffen. Am Ende steht immer das Licht.
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