Es ist halb sieben am Morgen. Der Wecker klingelt. Gestern Abend zeigte das Wolkenradar für heute früh einen wolkenlosen Himmel. Das möchte ich nutzen. Nach nur wenigen Stunden Schlaf bin ich jedoch beinahe zu müde um aus dem warmen Bett aufzustehen. Ich überlege hin und her, doch mein Wille, den Sonnenaufgang an der Ostseeküste zu sehen, ist stärker wie die Bequemlichkeit.

Kurze Zeit später sitze ich im Auto und fahre der Sonne entgegen. Schon von weitem sehe ich den dunklen Lichtstreifen an Himmel. Versteckt hinter Feldern, Häusern und Wald taucht er immer wieder auf und weist mir den Weg.

Ich fahre nach Falshöft. Zum Leuchtturm. Er hat längst als Seezeichen ausgedient, doch leuchtet über Nacht bis in die Morgenstunden noch immer ein gedimmtes Festfeuer. Ein malerischer Anblick.

In der morgendlichen blauen Stunde erreiche ich den Strand. Es ist bereits kurz nach acht Uhr, doch wie erwartet, ist keiner da. Der Strand ist dunkel und nur im gedämmten Licht der bald aufgehenden Sonne gehe ich zum Wasser.

Der orangene Lichtstreifen leuchtet nun ohne Hindernisse am Horizont und die Dunkelheit verschwindet zunehmend. Dennoch muss ich heute besonders aufpassen. Sind es sonst nur Steine und Unebenheiten im Boden, die das Laufen am Strand erschweren, so ist es heute Eis.

Unter meinen Schuhen ist der Sand gefroren. Bei jedem Schritt knirscht es und immer wieder muss ich aufpassen, dass ich nicht ausrutsche auf dem gefroren Wasser, was sich in den Rillen im Sand angesammelt hat.

Letzte Nacht war leichtes Hochwasser an der Ostsee zu verzeichnen und nun bedecken spiegelglatte Eisflächen die Kuhlen im Sand. Die sonst so wellige Meeresstruktur wirkt heute unbekannt und fremd.

Luftblasen, Eis und Sand wechseln sich dunkel unter dem heller werdenden Himmel ab. Ich gehe vorsichtig, mit langsamen und mich heran tastenden Schritten vorwärts. Hier ein glitschiger Stein, da eine dünne und sofort brechende Eisschicht über einer Luftblase.

Die Welt ist heute Morgen versunken unter einer kalten und eisigen Schicht und diese Schicht ist wunderschön. Schnee und Frost bedeckten die umliegende Landschaft und hüllen alles ein.

Heute haben die kleinen Dinge ihren großen Tag und finden eine ganz besondere Beachtung. Sie sind gekleidet in ein seltenes Kleid und dieses Kleid steht ihnen gut.

Auch wenn mir die Fingerspitzen bereits vor Kälte kribbeln, kann ich das Handy nicht in der Jackentasche lassen. Nein, ich muss festhalten was ich sehe. Will es mir ansehen können, wenn das Thermometer wieder in zweistelligen und warmen Plusgraden unzählige Besucher an den Strand lockt.

Ich sehe Muster aus Eiskristallen, die mit zarten Zacken überzogen sind. Sie scheinen zu schweben. Das Wasser unter ihnen ist längst im Boden versackt. Nur die obere Schicht ist gefroren. Unten ist es hohl und leer. Bei jedem Schritt würde das zarte Eis brechen. Doch ich gehe drum herum. Auch spätere Strandgänger sollen sich an dem Blick erfreuen können.


Im Nordosten färbt sich der Himmel jetzt rosa, während er im Südosten in tiefem Orange den unmittelbaren Sonnenaufgang ankündigt. Dieses Schauspiel, so still und leise und ohne großes Aufsehen ist nach wie vor eines der schönsten Phänomene, das das Leben auf dieser Welt zu bieten hat.

Ehrfürchtig bleibe ich stehen und sehe zu, wie die Sonne nun doch viel zu schnell aus dem Meer empor steigt. Die Farbenpracht, die sie umgibt, ist dabei unbeschreiblich.

Schwarz gefärbter Sand, dunkelblauer Himmel und dazwischen ein feuerfarbener Streifen, der das Leben beinhaltet.

Trotz Sonne ist es eisig kalt und weder Eis noch Schnee lassen sich von ihr beeindrucken. Ich hingegen bestaune die in morgendlichen Farben gehüllte Welt um mich herum.









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